Die von außen getriebene digitale Transformation
Nach dem technischen Schlüssel, nun der organisatorische Schlüssel
Digitalisierung ist nicht die 1:1 Übersetzung von existierenden Prozessen in die digitale Welt, sondern das Neudenken von Abläufen mit dem Ziel der Verschlankung und Vereinfachung einerseits, und dem Schaffen wertvoller neuer Möglichkeiten andererseits. Leider mischt sich genau hier die Unternehmenskultur ein, die oft Silodenken unbewusst fördert und das Wirken innerhalb von Abteilungsgrenzen erzwingt. Abläufe und Prozesse beginnen und enden daher leider oft genau an eben jenen Grenzen und das behindert die globale Optimierung und Digitalisierung. Stattdessen wird lokal agiert und geplant und auch budgetiert. Letzteres ist ein sehr interessanter Aspekt, der derzeit oft den Einsatz sehr guter digitaler Lösungsansätze verhindert. Ich spreche hier aus leidvoller Erfahrung, nämlich dass sich insbesondere neue Technologien problemlos für den Endkunden rechnen würden, wenn er deren Einsatz unternehmensweit denken würde und die Vorteile nicht nur innerhalb von Abteilungen nutzen würde, sondern auch in deren Zusammenspiel miteinander.
Nehmen wir als Beispiel WiFi/WLAN: heute nicht mehr wegzudenken, wird nicht in Frage gestellt, Access Points werden gekauft, administriert und gewartet usw. Selbstverständlich! Sie werden für viele verschiedene Zwecke des Datentransfers benutzt, innerhalb von Abteilungen, abteilungsübergreifend, zur Kommunikation mit anderen Firmen usw. usw. usw. Ein komisches Beispiel? Nein, überhaupt nicht. Keine einzelne Abteilung würde sich die Komponenten anschaffen und einsetzen, wenn sie nur für ein paar wenige eigene Use Cases genutzt würden. Die Kosten wären zu hoch, die Anschaffung würde sich nicht rechnen. Denkt man aber firmenweit, ist die Anschaffung und der Betrieb einer solchen Kommunikationsinfrastruktur eine Selbstverständlichkeit.
Neue Technologien, wie z.B. eine Infrastruktur zur nahtlosen Ortung von Gabelstaplern, AGVs, AMRs, Werkzeugen, Waren, Bauteilen etc., sind vorhanden, können dem Anwender in unzähligen Use Cases Mehrwerte bringen und amortisieren sich daher völlig problemlos. Eigentlich. In der Praxis jedoch, rechnet sich z.B. ein Fuhrparkleiter durch, wie viel ihm die Ortung der Gabelstapler bringen würde, um seine Flotte effizienter einzusetzen und ggf. sogar Fahrzeuge einzusparen. Ein Use Case, der sich bei einer großen Zahl von Staplern rechnen mag, bei einer kleineren Menge aber oft nicht. So kommt es dazu, dass der Einsatz von Ortungstechnologien nicht weiterverfolgt wird.
Am anderen Ende des Gebäudes derselben Firma sitzt aber ggf. ein Kollege, der sich um den Materialfluss kümmert und diesen z.B. Optimieren möchte. Jener Kollege erwägt ebenfalls den Einsatz von track-and-trace Lösungen, um überhaupt erst die notwendigen Daten sammeln zu können, um die Potentiale für Einsparungen erkennen zu können. Auch hier mag der Einsatz von Ortung als zu kostspielig angesehen werden und wird bereits in der Theorie verworfen.
Würden sich aber die beiden Kollegen kennen und unterhalten, dann würde sich die Lösung schnell auszahlen. Kämen noch weitere Abteilungen hinzu, die die Daten auch sehr gut gebrauchen könnten, wäre sofort eine Entscheidung über die Anschaffung getroffen und ein paar wenige Wochen später, würde bereits eine Pilotphase mit echter Hardware und Software beginnen.
Was kann nun ein Produktmanager, ein Vertriebsmitarbeiter oder ein New Business Development Manager machen, um diese Problematik zu knacken?
Zunächst gibt es den üblichen Gedanken, mit einem Ansatz „von oben her“ zu arbeiten und Geschäftsführer oder COO zu adressieren und sie auf die Möglichkeiten aufmerksam zu machen. Dies kann funktionieren, scheitert aber gerne an der mangelnden Transparenz innerhalb eines Unternehmens und daran, dass die Probleme der verschiedenen Abteilungen so gar nicht bekannt sind oder als Kleinigkeiten wegdiskutiert werden. Bestenfalls bekommt man das Angebot, man solle mit den jeweiligen Abteilungsverantwortlichen sprechen. Dann ist man aber leider wieder am Ausgangspunkt zurück und versucht z.B. einen Fuhrparkleiter zu bearbeiten.
Das wäre Variante 2, der „von unten nach oben“ Ansatz. Hier versucht man erstmal den Fuß in die Tür zu bekommen und klein-klein die eigenen Angebote in einer Abteilung zu platzieren und sich dann zu anderen Abteilungen durchzukämpfen. Da trifft man dann aber eben genau auf die eingangs erwähnten Schwierigkeiten, dass sich die Lösung meist nicht rechnet, wenn man sie isoliert einsetzt oder betrachtet.
Gibt es noch eine Variante? Ich denke es. Sie ist auch nicht einfach, erfordert gute Vorbereitung, gute Recherche und Zeit. Sie besteht darin, sowohl die Geschäftsführer als auch die Abteilungsverantwortlichen herauszupicken und sie zu einem gemeinsamen Gespräch oder Workshop zusammenzubringen. Wenn es dabei mit dem Geschäftsführer nicht funktioniert, dann wenigstens mit den Abteilungsleitern. Sie müssen sich kennenlernen und die Synergien einer gemeinsamen Lösung dadurch erkennen. Zusammen können sie leichter das Risiko und die Kosten schultern und ihren Geschäftsführer überzeugen. Sie beginnen sich abzustimmen, an einem Strang zu ziehen und wie im Formationsflug das gemeinsame Ziel anzusteuern.
In einem Workshopformat kann das nötige Wissen über die Lösung gut vermittelt werden und gemeinsam eventuell sogar noch weitere Einsatzgebiete identifiziert werden. Wichtig, essenziell, ist es dabei aber, dass man wirklich die richtigen Personen derselben Firma zusammenbringt. Derselben Firma. Diese sind es, die miteinander zu arbeiten lernen müssen. Es reicht eben genau nicht, auf einer Messe oder in Webinaren, ungesteuert willkürliche Personengruppen zu adressieren. Aus verschiedenen Firmen jeweils einen Teilnehmer zu haben, bringt eben nichts. Auch dann wäre wieder die „Falle“ der Variante 2 gegeben, wo ein Einzelner die Kosten nicht rechtfertigen kann.
Kennt man leider in einer Firma nicht die relevanten Personen, so kann man versuchen, für dieses Unternehmen einen kostenlosen Workshop als Know-How-Transfer über eine neue Technologie oder Lösung anzubieten und so hoffentlich mehr oder weniger zufällig die richtigen Personen an einen Tisch zu bekommen.
In Anlehnung an den “technischen Schlüssel zur digitalen Transformation”, nenne ich dies den von außen getriebenen Schlüssel zur digitalen Transformation.