Better call Heisenberg!
Walter White, alias Heisenberg, und James McGill, alias Saul Goodman, sind die Hauptcharaktere aus „Breaking Bad“ und deren Spin-Off Serie „Better Call Saul“. Kaum eine Serie hat mich so begeistert, wie diese beiden. Ihre enge Verwandtschaft zeigt sich nicht nur im Drehbuch sondern auch in der gesamten Aufmachung.
So wie sich in „Breaking Bad“ Walter White von einem durchschnittlichen Familienvater zum Drogenboss mit dem Namen „Heisenberg“ entwickelt, so verwandelt sich James McGill aus dem Schatten des übermächtigen Bruders und Anwaltes zu einem gerissenen juristischen Taktiker, der schließlich als Saul Goodman firmierend, juristischen Rat für Kriminelle aller Art erschwinglich macht.
In beiden Charakteren schlummern clevere Instinkte und Erfindungsreichtum. So erkennt Walter White in Jesse Pinkman bei dessen Flucht vor der DEA sofort den erpressbaren Drogendealer in ihm, der beim Vertrieb seines Produktes von unschätzbarem Wert sein würde. Durch seine wissenschaftlichen Wurzeln fällt es Walter leicht, Crystal Methherzustellen und durch dessen Verkauf seine kostspielige Lungenkrebstherapie zu finanzieren. James McGill ist bereits als junger Erwachsener ein trickreicher Betrüger, der durch fingierte und arrangierte Zusammenstöße zwischen von ihm engagierten Skateboardfahrern und Autos, deren nichts ahnenden Fahrern Geld als Entschädigung in Cash noch am Unfallort abschwätzt. Etwas gereifter, eifert er seinem Anwaltsbruder nach und absolviert unbemerkt von ihm ein Jura Fernstudium parallel zu seiner Arbeit in der Poststelle dessen Anwaltskanzlei.
Was beide Charaktere eint, und der Grund ist, diesen Artikel im "Agile Minds" Newsletter zu veröffentlichen, ist dieser unwiderstehliche Wille, das eigene Produkt zum Erfolg zu bringen. So wie Walter zu einem Zeitpunkt, als er längst genug Drogendollars verdient hat, einfach nicht davon lassen kann, sein „Crystal Meth Spezial in blau mit mehr als 99% Reinheit“ wieder herzustellen, da Nachahmer minderwertige Plagiate in Umlauf bringen, so ist Saul Goodman einfach nicht unterzukriegen und sich für nichts zu schade, um auch die 12 Monate zu überbrücken, in denen er seine Anwaltslizenz verloren hatte: Er entdeckt durch einen Dialog mit einem Hehler, dass Prepaid Handys als „Einmal-Telefone“ einen Markt für Kleinkriminelle bedienen und wirbt mit dem Slogan „Privacy Sold Here!“ unter dem Pseudonym „Better Call Saul!“ für seinen Verkauf besagter Billighandys aus dem Kofferraum seines schrottreifen Autos heraus.
Die jeweilige Motivation und das jeweilige Produkt der Beiden, mag fraglich sein, aber die Leidenschaft, die sie bei der Umsetzung aufbringen, ist berauschend. Sie ziehen sich nicht auf ihr Spezialgebiet zurück und warten wie ein Unbeteiligter auf den Erfolg oder den Misserfolg: Sie greifen in jeder erdenklichen und notwendigen Form ein, um den Markt zu bedienen. Weder Heisenberg noch Saul Goodman, hätten einen solchen großen Erfolg gehabt, wenn sie sich nur auf das Kochen des Crystal Meth bzw. die Pflicht-Verteidigung zurückgezogen hätten. Ein stoisches Beharren auf den eigenen Spezialitäten, ist nicht ausreichend für den Produkterfolg. Es muss getan werden, was getan werden muss. Immer die eigene Vision vor Augen und den unwiderstehlichen Drang, sie zu realisieren. Walter White unterstützt z.B. selbst den Vertrieb und scheut auch nicht die Drecksarbeit zu machen, wenn Jesse es nicht mehr alleine schafft. Dafür wird dann auch das Pseudonym „Heisenberg“ von ihm ins Leben gerufen und befriedigt nicht nur seine intellektuelle Eitelkeit, sondern dient auch der Geheimhaltung seiner eigentlichen Identität in einem naiven Versuch, sein Privatleben und insbesondere seine Familie, aus seinen Drogengeschäften herauszuhalten.
James wiederrum, steht persönlich nachts auf einem ziemlich verlassenen Parkplatz eines Hot Dog Imbiss, um seine Handys an den Mann zu bringen, obwohl die Gegend gefährlich ist und zwiespältige Gesellschaft in dunklen Ecken potentiell nur darauf wartet, ihm seinen Gewinn zu rauben. In Jogginganzug und mit Goldkette ist der Anblick ein herrlicher Kontrast zu seinem sonstigen Outfit: top angezogenen Rechtsanwalt in Anzug und Kravatte.
Erfolg definiert sich für die beiden übrigens nicht durch eingenommenes Geld: Heisenbergs Frau, die für die Geldwäsche und die Aufbewahrung des angehäuften Drogengeldes verantwortlich ist, führt ihren Mann zu einem angemieteten Aufbewahrungscontainer wo sie ihm mehrere Euro-Paletten mit gestapelten Dollarscheinen zeigt und fragt, wozu er noch weiter macht. Heisenberg ist unbeeindruckt und ihr wird klar: Schon lange geht es nicht mehr um Geld, sondern darum, dass beste Produkt am Markt zu haben und dieses auch gegen Konkurrenz zu verteidigen.
In der modernen Produktentwicklung gilt es ebenso eine gemeinsame Vision zu teilen und ein klares Ziel anzustreben, das allen im Team bekannt ist und mehr noch, für das alle brennen, es zu erreichen. Nur so können alle an einem Strang ziehen und die Vision Realität werden zu lassen. Es gibt kein Zurückziehen auf die eigene Komfortzone, keine ausschließliche Übernahme von Arbeiten, die zur eigenen Profession gehören und kein Abwarten auf das Zuweisen von Tasks: Wenn kein UX Spezialist an Bord ist, muss das Team trotzdem diese Arbeit übernehmen, ist kein DevOps Profi vorhanden, muss trotzdem jemand die CI/CD Pipelines im Auge behalten und ggf. administrieren. Selbständig und eigenverantwortlich erkennt dies das gesamte Team und greift aktiv Misstände auf und beseitigt sie. Es gibt keine Frontend Tasks und keine Backend Tasks. Es gibt nur abgeschlossene neue Erweiterungen, Verbesserungen und Features, die das Produkt noch wertvoller für den Kunden machen.
Es ist mit in der Verantwortung des Produktmanagers dafür zu sorgen, dass dies so ist: unermüdlich die Vision und den Weg dahin für alle klar skizzieren und begründen und dadurch das Team begeistern und befähigen. Unbesprochene Detailfragen, die während der Umsetzung erst auftauchen, werden so schnell für alle beantwortbar, Aufgaben werden gemeinsam angegangen und im besten Sinne des Produktes gelöst. Unterstützung für operative Massnahmen und Aufgaben wird zur Selbstverständlichkeit. Wer einen modernen Produktmanager sucht, der so tickt, sollte vielleicht Heisenberg anrufen.